Im Tröpferlbad
Geschichten von Gesundheit und Hygiene
Fotos: Marlene Fröhlich / luxundlumen.com
Das Gebäude des heutigen Bezirksmuseums Wieden wurde 1893 als Städtisches Volksbad errichtet. Die auf Wienerisch „Tröpferlbad“ genannte Einrichtung erfüllte fast 100 Jahre lang ihre Funktion. Im original erhaltenen Duschraum werden nun Geschichten über die einst für die Wiener Bevölkerung so wichtigen öffentlichen Badeanstalten erzählt. Bauhistorische Spuren werden aufgedeckt und die Meilensteine der Hygiene in der Geschichte der Bundeshauptstadt beleuchtet. Außerdem kommen Wiener:innen zu Wort, die erzählen, was Körperhygiene für sie persönlich bedeutet.
Entstanden ist die neue Dauerausstellung im Rahmen von Bezirksmuseen Reloaded in Zusammenarbeit von Curatorial Fellow Alina Strmljan (Stabstelle Bezirksmuseen im Wien Museum) und Bezirksmuseumsleiter Philipp Maurer.
Im Tröpferlbad: ein Erlebnis!
Der ersten Teil der Ausstellung erzählt anhand zahlreicher Objekte wie Hinweisschilder und einer Badeuhr vom Duscherlebnis im Tröpferlbad: wie die Besucher:innen ihre Eintrittskarten lösten, dass sie fürs Ausziehen, Duschen, Abtrocknen, Anziehen 30 Minuten (später 45 Minuten) Zeit hatten (bei Zeitüberschreitung neue Karte lösen!), was für soziale Konflikte es gab, was die Badeordnung vorschrieb, wie das Personal arbeitete – und dass man (bis in die 194oer Jahre!) Badeschürzen tragen musste! Die Besucher:innen des Tröpferlbadmuseums können die eigens für die Ausstellung vom Label Hybrid Dessous nach alten Maßangaben angefertigten Badeschürzen anprobieren!
Tröpferlbäder heute
Die Besucher:innen erfahren, warum die meisten Tröpferlbäder in den 1970er Jahren zusperrten und welche es heute noch gibt. Und sie können dem Bademeister in der Friedrich-Kaiser-Gasse zuhören, was er aus seinem Berufsalltag erzählt.
Hygiene in Wien – Pest, Cholera, Hochquellwasser
Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Geschichte der Hygiene in Wien.
Moderne medizinische Diskussionen gab es bereist zur Zeit der letzten Pestepidemien, als einerseits Habsburger Kaiser mit Pestsäule und Karlskirche das Ende der Pest feierten, andererseits diesseitig orientierte Ärzte mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Hilfsmitteln, u.a. der „Pestnase“, gegen die Seuche vorzugehen suchten.
Der Begriff „Hygiene“ wurde in Wien von Johann Peter Frank, einem aus Baden in Deutschland stammenden Arzt und Hochschullehrer, Vertreter der Ersten Wiener Medizinischen Schule, in die öffentliche Diskussion eingeführt. Sein sechsbändiges Lehrbuch „System einer vollständigen medicinischen Policey“ erschien ab 1779 (wobei „Policey“ damals einfach „gute Verwaltung“ bedeutete). Frank schrieb über viele Lebensbereiche, in denen Sauberkeit für die Gesunderhaltung der Menschen eine zentrale Rolle spielt: Zeugung und Kindeserziehung, Lebensmittel, gesunde Kleidung, sichere Bauten, Toiletten im Wohnbereich, gesundes und sauberes Wasser, öffentliche Sauberkeit, Beerdigung der Toten. Im sechsten Band befasste sich Frank mit Vorschriften für die Ausbildung der Ärzte.
Die nächste große Seuche in Wien war die Cholera, die ab 1830/31 viele Opfer forderte. Man erkannte: die Cholera hat mit dem Trinkwasser zu tun! Woher nahm mn das Trinkwasser in Wien? Man pumpte es aus dem Brunnen im Hof. Der Brunnen stnd in dem einen Eck des Hofes, im anderen der Abort: dass sich im Untergrund eine toxische Mischung zusammenbraute, wusste man noch nicht! Aber der Geologe Prof. Eduard Suess erkannte: Frisches Trinkwasser muss her! Gegen massiven Widerstand der Öffentlichkeit, aber mit der vollen Unterstützung der Ärzteschaft der Zweiten Medizinischen Schule, setzten Suess und Bürgermeister Cajetan Felder den Bau der Ersten Hochquellwasserleitung durch. Sie wurde am 24. Oktober 1873 eröffnet. Die Cholera war besiegt!
Ein Vergleich:
Franckesche Stiftungen in Halle und Rotes Wien –
frühe und späte Aufklärung
August Hermann Francke in Halle an der Saale zielte im frühen 18. Jahrhundert darauf ab, den neuen Christen zu schaffen – durch drei Grundvoraussetzungen: gesundes Wohnen, Hygiene, Bildung – Waisenhaus (mit hellen, gut gelüfteten Räumen, Reinlichkeit, Toiletten am Rande der Anlage), Spital und Apotheke (Ärzteausbildung, eigene Produktion von Medikamenten), Bildung (kindgerechte praxisorientierte Lehrpläne).
Das Rote Wien im frühen 20. Jahrhundert zielte darauf ab, den Neuen Menschen zu schaffen – durch drei Grundvoraussetzungen: gesundes Wohnen, Hygiene, Bildung – Gemeindebauten, Gesundheitswesen (Ambulatorien, Schulmedizin, Schulzahnkliniken, Mutterberatungsstellen u.a.), Bildung (Glöckelsche Schulreform).
Hier gehts zu den Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale: https://www.francke-halle.de
Für Texte und Bildmaterial von den Franckeschen Stiftungen danken wir Metta Scholz, Klaus E. Göltz (Fotos) und den Mitarbeiter:innen der Stabsstelle Forschung der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale