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25. April 2024 19:00
Ein Abend für Karl Kraus. Zu seinem 150. Geburtstag.
Versuch einer politischen Biographie.
Ein Abend für Karl Kraus zu seinem 150. Geburtstag.
Vortrag von Univ.Doz. Dr. Johann Dvořák: Der junge Karl Kraus (vor Herausgabe der „Fackel“)
Vorlesung: Schweigen, Wort und Tat. Texte aus der „Kriegs-Fackel“ 1914 – 1918 und aus der „Dritten Walpurgisnacht“ 1933. Philipp Maurer liest vor, am Klavier Paul Wexberg, Regie Dieter Schmutzer.
ACHTUNG ORT: Festsaal der Bezirksvorstehung Wieden, 1040, Favoritenstraße 18
Eine Veranstaltung des Kulturvereins Wieden in Zusammenarbeit mit dem Bezirksmuseum Wieden, gefördert von der Kulturabteilung der Stadt Wien, der Bezirksvorstehung Wieden und basis.kultur.wien
Teil 1: Der junge Karl Kraus (vor Herausgabe der Fackel)
Vortrag von Univ.Doz. Dr. Johann Dvořák
Johann Dvořák erläutert die politische Entwicklung des jungen Karl Kraus der 1890er Jahre. Der für liberale Presseorgane schreibende Autor äußerte anti-tschechische Ressentiments und stand den Deutsch-Nationalen wohlwollend gegenüber. Aber schon bald änderte er seine politische Haltung und argumentierte gegen die Liberalen, interessierte sich für die Tschechen und ihre Kultur und entdeckte die westeuropäische Moderne, vor allem das Werk von Oscar Wilde. Der Erstauftritt des jungen Dirigenten Gustav Mahler in der Wiener Hofoper am 11. Mai 1897 veranlasste Kraus, begeistert auf eine Erneuerung der Wiener Oper zu hoffen. Als Kulturkritiker wurde Kraus zum engagierten Parteigänger der radikalen Moderne und polemisierte gegen modische Strömungen, wie sie Hugo von Hofmannsthal repräsentierte. Als satirischer Kritiker der bürgerlichen Politik und Presse schrieb Karl Kraus gleichermaßen gegen den Antisemitismus wie gegen den Zionismus und stellte sich, wiewohl Fabrikantensohn, auf die Seite der arbeitenden Klasse.
Am 1. April 1899 erschien die erste Ausgabe der „Fackel“. „Die Fackel“ erschien bis zu Karl Kraus’ Tod, ab 1911 ausschließlich von ihm selbst verfasst.
Teil 2: Schweigen, Wort und Tat
Vorlesung von Philipp Maurer, am Klavier Paul Wexberg
1. Kapitel: In dieser großen Zeit – Vom Schweigen und der Blutbereitschaft des Wortes
Nach der programmatischen Erklärung in Nummer 1 der „Fackel“ liest Philipp Maurer Texte aus der „Kriegsfackel“, den von 1914 bis 1919 erschienenen „Fackel“-Heften. Schon zu Kriegsbeginn zeigte der sprachgewaltige Sprachkritiker Karl Kraus drastisch, was journalistische und politische Phrasen als Sprachrohre der staatlichen und militärischen Macht und Gewalt bewirken, verursachen, verschulden. Kraus fragte sich immer wieder, ob er gegen Phrasen und die Gewalt des Krieges mit seiner Sprache der Vernunft, der Humanität und des Argumentes überhaupt ankämpfen und siegen könne. Oder ob nicht das Schweigen die einzig angemessene Antwort wäre. Kraus zweifelte und entschied sich: Er zitiert Journalisten, Politiker, Militärs und reagiert darauf mit nüchternen Argumenten und satirisch-empörten Schimpftiraden. Kraus’ Zitate, Polemiken, Gedichte zeigen den Schrecken des Krieges.
In der „Fackel“ vom Mai 1918 erinnert Karl Kraus an den utopischen Text „Zum ewigen Frieden“ von Immanuel Kant, dessen 300. Geburtstag wir heuer feiern. Das Gedicht „Zum ewigen Frieden“, mit dem Kraus Kant ein Denkmal setzt, hat Kraus in seinen Vorlesungen mit großem Pathos vorgetragen.
Paul Wexberg ergänzt und kommentiert mit Schlagermusik aus der Zeit sowie Werken von Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Hanns Eisler u.a.
Ein Lied von Kurt Tucholsky und Hanns Eisler, gesungen von Paul Wexberg, bebildert die politische Tragödie der Zwischenkiegszeit, die im Faschismus untergeht.
2. Kapitel: Mir fällt zu Hitler nichts ein – Vom Unbeschreiblichen und Unsäglichen
Philipp Maurer liest Texte aus der von Mai bis September 1933 geschriebenen „Dritten Walpurgisnacht“, die Kraus zu Lebzeiten nur stark gekürzt veröffentlichte. Gegen die faschistische Gewaltherrschaft, ist Kraus überzeugt, ist sein Wort vergeblich; eigentlich wäre Schweigen die angemessene Reaktion. Aber der politische Satiriker schweigt nicht, sondern zitiert, polemisiert, agitiert und klärt auf. In Anlehnung an Goethes beide Walpurgisnächte – der Text beginnt und endet mit Zitaten aus Goethes Faust Zweiter Teil – schildert Kraus das beginnende Dritte Reich der Nationalsozialisten als Staat der Verrohung, der Gewalttätigkeit, der Rechtlosigkeit.
Paul Wexberg intensiviert mit Liedern (Texte von Bert Brecht, Erich Weinert u.a., Musiken von Hanns Eisler, Marcel Rubin u.a.) die von Kraus aus der politischen Wirklichkeit gebildete schreckliche Walpurgisnacht.
Das abschließende Goethe-Zitat zielt wie die programmatische Erklärung von 1899 auf die satirische Utopie: den Gegner zu vernichten.
Eine Veranstaltung des Kulturvereins Wieden, unterstützt von Bezirksvorstehung Wieden, basis.kultur.wien und Wien Kultur
Dauer der Veranstaltung: ca. 1 Stunde 30 Minuten